Berichte 2016

Stabilität des Kreislaufs unmittelbar nach Beendigung der Anästhesie

Das Institut für Anästhesiologie führt unmittelbar nach Anästhesieende regelmässig eine Erfassung von Vitalparametern durch. Dies geschieht durch eine rasche Kontrolle von Vitalparametern beim Eintreffen der Patienten in der Aufwachstation. Durch die postoperative Überwachung ist ein schnelles Eingreifen möglich bei Abweichungen von normalen Werten, bevor die Patienten auf die Bettenstation verlegt werden.

2017 lag die Aufmerksamkeit auf den beiden Kreislaufparametern Herzfrequenz und systolischer Blutdruck. Sowohl die Herzfrequenz als auch der Blutdruck können durch die Narkose beeinflusst werden und nach der Operation unterhalb oder oberhalb der Norm liegen. Die Anästhesiemethode – Allgemeinanästhesie oder rückenmarksnahe Regionalanästhesie – hat einen erheblichen Einfluss auf die unmittelbar postoperativ vorherrschende Hämodynamik.

Bei der Herzfrequenz gelten Werte zwischen 60 und 100 n/min als normal 1. Beim Blutdruck wird der systolische Wert allein verwendet und hier gelten Werte von 90 bis 140 mmHg als normal 2. Diese Grenzwerte gelten ausschliesslich für Erwachsene (Alter > 16 Jahre).

Die postoperative Messung als qualitätssichernde Massnahme im Jahr 2017 zeigte folgende Resultate:

Postoperative Messung Anästhesie

Quelle: Institut für Anästhesiologie, Prof. Dr. med. Donat R. Spahn, Institutsdirektor, Prof. Dr. med. Peter Biro

Normal (60–100/min) Bradykardie (<60/min) Tachykardie (>100/min)
Allgemeinanästhesie (n = 13813) 11'256 (81%) 1'651 (12%) 936 (7%)
Regionalanästhesie (n = 218) 155 (71%) 56 (26%) 7 (3%)
Normal (60–100/min) Bradykardie (<60/min)
11'256 (81%) 1'651 (12%)

Für detaillierte Tabellenansicht

Eine Herzfrequenz unter der Norm ist nicht in jedem Fall pathologisch. Meist handelt es sich dabei um sportliche Personen und nur in Ausnahmefällen (z. B. bei kardialen Rhythmusstörungen) ist das ein Anlass zu einer Intervention. Eine Herzfrequenz über der Norm (> 100/min) ist hingegen stets pathologisch, kann aber vielfältige Ursachen haben wie Stress, Schmerzen, Hypovolämie, Neigung zu Arrhythmien oder hormonelle Störungen (Hyperthyreose) und sie bedürfen stets einer sorgfältigen Differentialdiagnose und Therapie.

Die etwas häufigeren Bradykardien nach Regionalanästhesie sind typisch für die bis in die postoperative Periode wirkende Vagusblockade. Die insgesamt normale Herzfrequenz von 71 bis 81 % kann angesichts der perioperativen Stresssituation als sehr zufriedenstellend betrachtet werden.

Der systolische Blutdruck war bei 77 % aller Patienten nach Allgemeinanästhesien und bei 86 % der Patienten nach Regionalanästhesien im Normbereich (Tabelle 2).

Postoperative Messung Anästhesie

Quelle: Prof. Dr. med. Donat R. Spahn, Institutsdirektor, Prof. Dr. med. Peter Biro

Normal (90–140/min) Hypotension (<90 mmHg) Hypertonie (>140 mmHg)
Allgemeinanästhesie (n = 13813) 10’645 (77 %) 120 (1 %) 3’078 (26 %)
Regionalanästhesie (n = 218) 187 (86 %) 5 (12 %) 26 (12 %)
Normal (90–140/min) Hypotension (<90 mmHg)
10’645 (77 %) 120 (1 %)

Für detaillierte Tabellenansicht

Ein systolischer Blutdruck unter der Norm (< 90 mmHg) ist meist ein Zeichen einer Hypovolämie, kann aber auch andere, teilweise ernste Ursachen haben wie kardiale Dysfunktion. Systolische Drücke über der Norm (> 140 mmHg) sind oft (aber nicht immer) mit einer Tachykardie assoziiert und sind häufig bei Patienten mit der Begleiterkrankung einer essentiellen Hypertonie vorzufinden. Unmittelbar nach der Anästhesie kann der Stress der Operation bei weniger gut eingestellter antihypertensiven Medikation zu einem überschiessenden Blutdruckanstieg führen. Assoziierte Faktoren sind auch hier Schmerzen, Neigung zu Arrhythmien oder hormonelle Störungen: Bei mehr als einem Viertel der Patienten (26 %) wurde eine postoperative Hypertonie nach Allgemeinanästhesie gemessen. Das ist als «normal» zu bewerten. Es ist daher wichtig, diese Kreislaufparameter postoperativ bei der Ankunft in der Aufwachstation zu messen und zu verfolgen sowie bei pathologischen Werten Korrekturmassnahmen einzuleiten.

 

Literatur

Shoemaker, Allen L. What’s Normal? Temperature, Gender, and Heart Rate. Journal of Statistics Education. 4, 2 (1996)

National Heart, Lung, and Blood Institute. 2013. http://www.nhlbi.nih.gov/health/dci/Diseases/hyp/hyp_whatis.html. New Hypertension Guidelines: JNC-7. Clinical Cardiology Alert July 2003